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DenkFelder (ThinkAbouts) -

Worte schaffen sinnhafte Ordnung im Chaos.
Nica im Rausch >>>

"0831 - Nica-Rausch", 1988, Edit 3/3, 100x100cm, Inkjet auf Leinen auf Keilrahmen.

Prof. Jost Funke
Michael Weissers "DenkFelder" >>> PDF


"0877_DenkFelder, ICH bin", Serie von 21 Werken aus dem Jahr 2001f, Edit 3/3, 100x100cm, Inkjet auf Leinen auf Keilrahmen.





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Weisser - "PerlenPaar" - 2014 - 6:30
Rezitiert von Gabriele Möller-Lukasz

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Jost Funke - 2006
Professor für Bildende Kunst und Kunstgeschichte


Weissers künstlerisches Projekt „DenkFelder“ zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus:

- es beruft sich auf die ungebrochene Tradition des Tafelbildes, d.h. die einzelnen Bildtafeln (Leinwand auf Keilrahmen) sind als klassische Kunstwerke auch von einem wenig erfahrenen Publikum zu erkennen und zu würdigen

- es verwendet dennoch aktuelle Formen und Verfahren der Bildkünste (computergeneriertes “Rauschen“ und 3-D Typografie) und ist damit an der Avantgarde orientiert

- es  demonstriert eine Synthese von Bild und Text bei der das eine aus dem anderen hervorgeht

- es vermittelt seinen Betrachtern Sinngefüge, die zwar eindeutig ablesbar sind, aber ganz bewußt genügend Raum für subjektive Projektionen und Interpretationen bieten

- es erreicht durch seine Präsentation im Landgericht ein gemischtes Publikum, also nicht nur habituelle Ausstellungsbesucher. Damit erfüllt dieses Projekt speziell an diesem Ort eine bedeutende Vermittlungsfunktion

- es entfaltet seine Wirkungskraft besonders nachhaltig, da sie unerwartet und unmittelbar erfolgt, das Publikum gleichsam überrascht.

Aus diesen Charakteristika ergibt sich als Resumé ein singulärer Werkkomplex, der sich in vier Intentionen artikuliert:

1. Die inhaltlich-thematische Intention resultiert aus der sematischen Verknüpfung von textueller und visueller Bildstruktur. Sie richtet sich direkt manchmal geradezu suggestiv auffordernd an den Betrachter, den sie durch  Signale erreicht, die er bereits kennt oder die er aus seinen Seherfahrungen einordnen kann.
Diese Intention ist  durch ihre hohe Akzeptanz und zugleich durch ihre Übertragbarkeit gekennzeichnet. Dies bedeutet, daß auch kunstfremde Besucher des Gebäudes in den ausgestellten Arbeiten Bekanntes auffinden, das ihr weiteres Interesse auf die eigentliche Botschaft (Kongruenz oder Divergenz von Text und Bild) lenkt.
Es ist dabei unerheblich, wieweit die Aufmerksamkeit des Publikums reicht, selbst wenn lediglich die Texte wahrgenommen (wörtlich: “für wahr genommen“) werden, wenn also etwas unerklärliches zurückbleibt, ist eine wesentliche Komponente von Kunst erfüllt: ein bisher unzugängliches Publikum ist erreicht worden!
Da sich definitiv schlüssige (ein-fache) Deutungen nicht ergeben sollen, erübrigen sich auch Fragestellungen nach einer Bedeutung, die über die Werke hinausgeht. (“Was soll das sein?“) Die einzelnen Arbeiten, wie auch die gesamte Werkgruppe sollen eben nichts anderes bedeuten als sich selbst: ihr Sinn ergibt sich aus ihrer Form und aus ihrem mehrdeutig zur Irritation oder zum Nachdenken einladenden Inhalt.

2. Die bildnerische Intention liegt in den spezifischen Arbeitsweisen des Künstlers, seiner Organisation der einzelnen Bildflächen, den Arrangements der Farben, der jeweiligen Grundstruktur des “Rauschens“, der typografischen Ausprägung und der Plazierung der Textpartien.
Diese Intention verweist auf die bildkünstlerische Artikulation, den Personalstil Weissers, der mit jeder weiteren Arbeit eindeutiger erkennbar wird.
Sobald eine größere Anzahl von Arbeiten rezipiert worden ist, stellt sich die besondere Qualität des Einzelwerks (als Produkt eines identifizierbaren Künstlers) heraus.
Bedeutsamer jedoch ist die Erkenntnis, daß alle Einzelarbeiten durch eine innere Verwandtschaft miteinander verbunden sind. Prototypische Seherfahrungen wie diese können als ein didaktisches Modell für weitere Auseinandersetzungen mit Kunst dienen.

3. Die handwerklich-technische Intention umfaßt alle Mittel, Materialien, Methoden und Arbeitsverfahren, die der Künstler einsetzt um spezifische Wirkungen zu erreichen.
Diese Intention wird sich gewiß nicht spontan mitteilen allenfalls wird die Mitwirkung des Computers bei der Realisierung erkennbar sein. Hierdurch werden eigene Erfahrungen des Publikums aktiviert und können unter Umständen zur Erprobung am eigenen Computer führen.
Unter allen denkbaren Reaktionen ist dies sicherlich die wünschenswerteste: die Aktivierung des passiven Betrachters, der damit zum aktiv Kreativen wird.
Die hier genannten Intentionen bilden ein Gefüge, in das sie verflochten sind. Dieses Gefüge ist die originäre Leistung des Künstlers und kann als das Individualgefüge des Michael Weisser bezeichnet werden.



















Die Werkserie "ThinkAbouts" entstand im Zeitraum von 2001-2004 und wurde angeregt durch Berufung zum Schöffen in der 1. Strafkammer am Landgericht Bremen.


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