Bremen - Der Riensberger Friedhof
Jub Mönster - Patenschaft B 0448



An Jub Mönster / Bremen
Bremen, den 1.12.2020

Hallo Jub –
Du glaubst es kaum - als ich heute vom Krematorium auf dem Riensberger Friedhof kommend den Weg AA/BB Richtung Ausgang ging, fiel mein Blick kurz vor dem Urnenraum an der Verwaltung auf die Rückseite eines kleinen Grabsteins mit einem Häuschen darauf. Es war dein, in der Silhouette prägnanter, Stein!
Anhand dieses kleinen, sehr stimmungsvollen Dokuments der Zeitgeschichte, das aus der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft reicht, würde ich gern innerhalb meines Projektes über den Riensberger Friedhof in exemplarischer Weise das Prinzip der Grabstein-Patenschaft und einer „akzeptierenden“ Stellung zum Lebensprozess „Entstehen, Wachsen, Welken, Vergehen“ darstellen. Dazu habe ich einige Fragen an Dich.

Jub – wie bis Du auf den Gedanken gekommen, jetzt schon Sorge zu tragen für dein „Welken und Vergehen“ und dir einen Grabstein und einen Grabplatz zu sichern. Hat es mit deinem Alter zu tun? Oder gab es einen konkreten Anlass?

JM: Ich habe mich sehr früh für Friedhöfe und deren Kultur interessiert und war über Jahre als ehemaliger 'Exi' fest entschlossen, auf dem Père Lachaise in Paris meine letzte Ruhe zu finden ...

MW: Betrifft diese Grabstelle nur dich oder auch andere Familienmitglieder? Ist das, was zu entscheiden ist nur durch dein Wollen bestimmt oder gibt es Abstimmungen mit anderen Menschen?

JM: Meine Familie war aus für mich nachvollziehbaren Gründen anfänglich nicht sehr begeistert, habe sie aber in alles eingeweiht und als ich später meiner Frau die mögliche Grabstelle zeigte, war sie 'entspannt beglückt'.

MW: Gab es einen Grund für dich, gezielt den Riensberger Friedhof zu wählen? Ist dieser Friedhof für dich „besonders“?

JM: Ich besuche diesen Friedhof häufig und mußte mich in den letzten Jahren zunehmend öfter hier von Freundinnen und Freunden verabschieden.

MW: Wie bist Du auf den Grabstein gestoßen, der jetzt auf der Grablage B 488 zu finden ist. Von woher kam dieser Stein? Kennst Du die Namen und die Lebensdaten zu denen er einst gehörte?

JM: Bei einer Begehung des Friedhofes mit einem Angestellten der dortigen Friedhofsverwaltung, fiel mir dieses, wegen Unfallgefahr gekennzeichnete, Grabmal sofort ins Auge und ich bekundete umgehend mein Interesse falls sich etwaige Angehörige dafür nicht zuständig fühlen würden.

Der Grabstein wurde 1875 vom Herdentorfriedhof zum Riensberger Friedhof transloziert. Die Nutzungsrechte liefen aus und wurden nicht verlängert. Der Stein wurde zur Patenschaft freigegeben.

MW: Wie ist der formale Ablauf einer Patenschaft, wie Du sie übernommen hast? Gibt es eine Auswahl von Steinen und eine Auswahl von Stellen auf dem Friedhof, die man wählen kann?

JM: Ich kann hier nur von diesem Stein sprechen. Nach mehr als drei Jahren teilte man mir mit, daß ich für diesen Stein eine Patenschaft übernehmen kann, da er unter Kulturschutz stünde, weil er vom ehemaligen Friedhof Herdentor, der 1875 aufgelöst wurde, hierher verbracht wurde. Da der Stein auch zu meinen Lebzeiten der Öffentlichkeit zugänglich auf dem Friedhof verbleiben muss, durfte ich wegen des damit verbundenen Mietvertrages einer Grabstätte zwischen mehreren Standorten wählen. (Siehe 1.)

MW:
Wird so ein Verwaltungsakt mit einem Vertrag „beurkundet“? Gibt es spezielle Verpflichtungen? Für wie lange gilt so ein Vertrag?

JM: Es wird ein Vertrag geschlossen, in dem man sich zur Erhaltung des Grabsteins und bestimmter anderer Aufgaben verpflichtet. Mein Vertrag richtet sich vorerst nach der Dauer der Anmietung meiner Grabstätte bis 2039. (Siehe 2.)

MW:
Wie hoch sind die Verwaltungs-Kosten für so eine Übernahme? Was wird mit den Kosten abgedeckt?

JM: Das wird sicherlich bezüglich des Zustandes des jeweiligen Steins unterschiedlich geregelt - je nachdem fallen auch die Restaurierungskosten an. Die Anmietung einer Urnengrabstätte in bevorzugter Lage betrug 2019 € 1.484,00 für 20 Jahre. (Siehe 3.)

MW: Welche Folgekosten sind zu erwarten? Gemeint sind: die Restauration des Steines, die Aufstellung etc.?

JM: Der Stein ist momentan, nach seiner Restaurierung und den kleineren Eingriffen 'wie neu'; - und die Folgekosten interessieren mich nicht wirklich, da ich dann ja drunter liege.

MW: Kann ein Pate wie Du den übernommenen Stein verändern? Gibt es Grenzen der Veränderbarkeit? Oder darf er nur restauriert werden?

JM: Alle Veränderungen müssen eng mit der dafür zuständigen Verwaltung, dem Umweltbetrieb Bremen, abgesprochen und genehmigt werden.

Skizze der Restaurierungsarbeiten im Atelier der Steinbildhauerin Katja Stelljes, Bremen - 2019.

MW: Wo hast Du diesen Stein überarbeiten lassen? Welche Kriterien waren dabei wichtig?

JM: Ich habe diesen Stein von meiner Bildhauer-Kollegin Katja Stelljes, restaurieren und überarbeiten lassen und nicht zuletzt wegen einiger nicht reparabler Schwachstellen fragmentarisch neu gestalten müssen.

Grabstein im Atelier Stelljes.


Originalinschrift: "Ruhestätte / der Familie / Schnakenberg"

MW: Irgendwann wird die Frontseite des Steins deinen Namen tragen. Dazu muss die aktuelle, weiße Marmorplatte ausgetauscht werden. Ist dieser Akt der neuen Inschrift schon heute in Text, Form, Typografie, Technik und Material geregelt?

JM: Ich muß dies noch schriftlich hinterlegen, habe es aber in enger Absprache mit Frau Stelljes bereits mündlich festgelegt. Um die wunderbare, weiss-patiniert-unleserliche Frontplatte zu erhalten, soll eine Glasscheibe mit unseren eingefräßten Namen und Daten in geringem Abstand davor installiert werden.

MW: Hast Du auch weitere Details deiner Beerdigung verbindlich in deinem Testament oder in einem Schriftstück bei der Friedhofsverwaltung geregelt? Gibt es Details zur Trauerfeier, Grabrede, Anzeige, Grabschmuck und die folgende Betreuung durch eine Gärtnerei oder durch die Familie bzw. Freude?

JM: Ja, vieles wurde mit dem Beerdigungsinstiut bereits vorformuliert.

MW: Hast Du deine Idee von der Patenschaft über einen historischen Grabstein in Familie und Freundeskreis diskutiert? Wie waren die Reaktionen?

JM: Es geht hierbei weniger um die Patenschaft, als vielmehr um die sanfte, vorausschauende Regelung bei Eintritt des Todes - ein vielfach ungemütliches Thema. Deshalb sollte man es bei guter Gesundheit und dementsprechend humorvoller Laune angehen und regeln - ich kann allen versichern, daß es nach Beendigung dieser Formalien kaum eine größere Erleichterung gibt und zwar für alle Teile der Familie.

MW: Wie ist deine persönliche Position. Glaubst Du an eine Form des Weiterlebens nach dem Tod?

JM: Ich lasse mich gern positiv überraschen!


MW: Welche Bedeutung hat dieser gewählte Grabstein für dich? Gibt er dir einen konkreten Anlass des Nachdenkens?

JM: Ich hänge viel zu sehr am Leben, bin aber mit meinem letzten 'Umzugsort' sehr zufrieden.

MW: Hast Du als Künstler das Thema „Vergehen“ oder die Form des Grabsteins ästhetisch/thematisch verarbeitet? Gibt es Skizzen, Zeichnungen oder Bilder mit dem prägnanten Motiv des Grabsteins, der als Architektur wirkt und auf dem ein Medaillon mit einem relieffierten Schmetterling als Symbol der Wiedergeburt und Auferstehung appliziert ist?

JM: Alles reiner Zufall - mir gefiel dieses letzte Haus bei Inaugennahme.

MW: Haben dich in deinem bildnerischen Werk überhaupt die Themen Tod, Trauer, Verlust und damit einhergehend die Sehnsucht und die Liebe beschäftigt?

JM: War und ist immer Thema der bildnerischen Auseinandersetzung.

MW: Du hast sicher nicht willkürlich auf einen Grabstein aus der Vergangenheit zurückgegriffen. Warum hast Du als Künstler keine eigene, neue Form aus der Gegenwart heraus erschaffen oder gar einen futuristischen Entwurf zur Diskussion gestellt? Warum der Griff in die Tradition der Vergangenheit?

JM: Über Jahre hatte ich die Vorstellung, ein Bildhauerkollege solle sich darum kümmern. Nachdem ich aber das Obdachlosengrab auf dem Waller Friedhof gestalten durfte, wurde ich mir der verwaltungstechnisch eingeschränkten Möglichkeiten bewußt. Deshalb kam mir dieser plötzliche 'Fund' bei der Begehung gerade recht.


MW: Wenn Du vor deinem Stein stehst – kommen dann besondere Bilder und Gefühle in dir auf? Gibt es dann Momente der besonderen Intensität?

JM: Ja - aber noch relativ beschwingt - schön, noch oberhalb der Grasnarbe zu stehen.

MW: Wenn Du dein Grab pflegst – führt dich der Weg dann auch weiter über den ganzen Friedhof? Welche Wege nimmst Du bevorzugt? Wie empfindest Du die Parkgestaltung in Verbindung mit den Gräbern? An was für Grabstellen bleibst Du stehen? Was löst so ein Spaziergang in dir aus?

JM: Ja, ich flaniere gern über den Friedhof, denke bei meinem Kollegen Norbert Schwontkowski an vergangene Zeiten und die Malerei, wundere mich bei dem Kollegen Robert van de Laar über dessen ihm nicht gerecht werdende Grabstätte, lächle an dem kleinen Urnengrab des bärigen Schlossers und feinfühligen Jazzpianisten Heinz Wendel ...

Jub – hab Dank für deine offenen Worte –
Grüße Mike

ps. Mehr Informationen zum Bremer Künstler Jub Mönster >>>

Dokumente:

(Siehe 1.)
Vergabe eines Nutzungsrechts - 2019


(Siehe 1.)
Friedhofsordnung - 2019


(Siehe 2.)
Vereinbarung - 2019


(Siehe 3.)
Gebührenbescheid - 2019


Ab 2019 in bevorzugter Grablage B 0488